Swaziland
Quendoline ist nachdenklich. Während
die junge Frau gedankenverloren ihren Maisbrei mit Gemüse löffelt,
versucht sie die Heimat ihrer Gesprächspartner zu begreifen. Ist
es dort wirklich im Sommer nur selten so warm, wie hier im Winter? Bei
weit über 20 Grad steht sie mit Strickjacke und Wollmütze hinter
dem hohen Tresen der Markthalle von Mbabane, die ein appetitanregender
Duft nach Fleisch, Gemüse und Gewürzen durchzieht. Immer wieder
hebt sich ihr fröhliches Lachen vom allgemeinen Stimmengewirr ab,
während sie von ihrem Alltag im Swaziland erzählt; jenem kleinen
Königreich, das wie eine Insel innerhalb von Südafrika und Mosambik
liegt.
Quendolines exotische Kundschaft lockt schnell Neugierige an. Schließlich
verirren sich nur selten Weiße in die Marktgegend der Hauptstadt,
wo Frisöre und Schneider, Kunsthandwerker und Gemüsehändler,
Garköche und eloquente Prediger für lebhaftes Treiben sorgen.
Und nur eine Straßenecke neben den modernen Supermärkten und
schicken Espressobars werden völkerverbindende Kontakte geknüpft
beim Gespräch über Religion, Familie und Fußball. Das
Kicken ist neben Volleyball der Swazi liebster Sport und ihre Idole kommen
aus dem fernen Europa. Von Ex-Weltmeister Frankreich rattern die jungen
Burschen die komplette Mannschaftsaufstellung herunter und Oliver Kahn
kennen sie alle.
Vielleicht liegt es daran, dass Swaziland nie unter der Knute der Apartheid
stand. Vielleicht an der sprichwörtlichen Freundlichkeit des Stammes
der Swazi. Man kommt schnell ins Gespräch, plaudert über Gott
und die Welt und geht mit dem Gefühl, Freunde gefunden zu haben.
Wären da nicht das Wissen um das typisch afrikanische Problem mit
AIDS und die hohe Arbeitslosigkeit des kleinen Landes, das in erster Linie
vom Export landwirtschaftlicher Produkte, Erz, Asbest und Mineralien lebt,
man wähnte sich in einem kleinen Paradies. Aber das tut man auch
ohne die Tatsachen zu verdrängen. Mensch und Natur in Swaziland animieren
dazu.
Einer davon ist Mbeki. Mbeki ist Ranger im Mlilwane Naturreservat, nicht
weit von Mbabane entfernt. Wer sich mit ihm in der Abenddämmerung
auf Safari begibt, der reitet in ein unvergessliches Erlebnis. Per Pferd
geht es in die Natur. Vorbei an unzähligen, blaugesprenkelten Perlhühnern
und einer Flusspferdfamilie, die träge auf einem Inselchen liegt.
Je tiefer sich der Sonnenball hinter die Berge senkt, desto mehr Tiere
kommen ans Licht: unzählige Zebras ("Pferde im Pyjama",
lacht Mbeki), elegante Antilopen, neugierige Warzenschweine, Böckchen,
die sich von den faszinierten Reitern nicht im mindesten beeindruckt zeigen.
Durch die Lodge, die nicht nur als Ausgangspunkt für Safaris zu Pferd
oder im Jeep dient, sondern auch Reisenden eine romantische Unterkunft
bietet, spazieren ganz gemächlich Strauße und Gazellen.
Ein vorwitziges Zicklein ist es, das im Cultural Village, einer Art Freilichtmuseum,
die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Von nichts und niemandem ist das schwarze
Böcklein abzuhalten, sich mitten unter den Frauen und Männern
der königlichen Tanzgruppe niederzulassen, während diese ihr
klassisches Repertoire zeigen. Jahrhundertealte Bewegungsfolgen, mit denen
man um gute Ernte, die Gunst des Liebsten oder Erfolg bei der Jagd bat.
Der berühmteste ist der Umhlanga-Tanz. Der Tanz der jungen Frauen,
zu dem alljährlich im Frühling (Ende August, Anfang September)
Teenager aus dem ganzen Land zum Palast kommen, um der Königinmutter
ihre Ehre zu erweisen. Dass sich der König aus diesem Anlass nach
alter Tradition alljährlich eine Ehefrau auswählen darf, beflügelt
die Phantasie der Europäer. Dass Majestät Mswati III, 1968,
im Jahr der Unabhängigkeit geboren, längst den Spagat zwischen
Tradition und modernem Staatsmann vollzogen hat, übersehen sie dabei
gern. Wie auch die Sneakers, Handys und Baseballkappen, die zu Accessoires
zur Mahiya geworden sind. Das Traditionelle togaartigen Gewand der Swazi
ist ein ebenso alltägliches Kleidungsstück, wie Jeans oder Anzug.
Ziemlich ungeeignet jedoch für die sportlichen Varianten, die Naturschönheiten
Swazilands aktiv zu erkunden: Riverrafting, Höhlenwandern, Mountainbiken
- die Möglichkeiten sind so Vielfältig wie die Landschaft, die
bisweilen mit Flüssen, Bergen und sanften Hügeln ans oberbayerische
Voralpenland erinnern und dann doch wieder fremd und exotisch sind. Und
sei es nur wegen der übermannshohen, blühenden Weihnachtssterne,
die wie Gestrüpp unbeachtet am Straßenrand stehen.
"Hat es ihnen gefallen?", fragt der Zollbeamte im blütenweißen
Hemd bei der Ausreise am winzigen, blütenumrankten Flughafen die
paar Passagiere, die wehmütig auf den Abflug warten. "Ja? Dann
kommen Sie bitte bald wieder." - Gerne. Schließlich gibt es
noch so viel zu entdecken im kleinen Königreich im Süden Afrikas.
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